Mann hängt mit Sicherheitsseil vom Felsen

Neues Führungsverhalten für die Digitalisierung

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Durch die Industrie 4.0 und die Digitalisierung wird die Führung von Unternehmen verändert und Entwicklungen schreiten viel schneller voran als früher. In meiner Arbeit sehe ich immer wieder, wie unterschiedlich Menschen auf diese Entwicklung reagieren. Während es manchen Menschen Unbehagen bereitet, sehen andere darin fantastische Chancen. Daher möchte ich heute gern der Frage auf den Grund gehen, was eine Führungsperson in diesem, sich permanent und schnell wandelnden Umfeld heutzutage leisten muss, um den Mitarbeitern eine entsprechende Orientierung geben zu können. Warum wird im Rahmen der Digitalisierung eine andere Art der Führung erforderlich und welche eignet sich am besten?

Steve Jobs: Tyrannischer Chef mit Charisma

Schriftzug Führung
Quelle: master_art/Shutterstock.com

Betrachten wir zunächst das Paradebeispiel Steve Jobs als erfogreicher und innovativer Manager. Viele Unternehmer, die sich nach neuen Führungsstilen umschauen, nehmen Steve Jobs als Vorbild und wünschen sich seinen Markterfolg. Doch nicht alles ist nachahmenswert. Sein Führungsstil war genauso kontrovers wie dynamisch und komplex. Sein Erfolg soll größtenteils auf seiner Genialität und Nischenpolitik beruht haben und nicht darauf, wie er seine Mitarbeiter führte, obwohl sein Charisma für ihn spricht. Er verstand die Wichtigkeit des kulturellen Einflusses auf den Unternehmenserfolg besser als jeder andere.

Steve Jobs war so charismatisch, dass er zahlreiche Angestellte mitreißen konnte. Doch war er auch häufig übertrieben kritisch, stur und ungeduldig. Manchmal soll er sogar gemein gewesen sein. Auch wenn er der größte Manager unseres Zeitalters war, so hat er sich dennoch tyrannisch, launenhaft und sehr fordernd verhalten.

Es ist wohl kaum vorstellbar, dass ein Manager genau die gleichen Resultate erzielt, indem er Steve Jobs mitsamt seinen negativen wie positiven Eigenschaften nachahmt. Es wird wohl eher das Gegenteil der Fall sein, wenn er sein Vorgehen auf das falsche Produkt, den falschen Markt oder auf die falsche Strategie anwendet. Damit könnte er dem Unternehmen im schlimmsten Fall schaden. Steve Jobs Innovationsfähigkeit soll größer als alles andere gewesen sein. Und zwar so groß, dass sie seine schroffe Art überstrahlen konnte. Doch nicht jeder besitzt die Innovationsfähigkeit eines Steve Jobs‘.

Eine gute Führung in Zeiten der Digitalisierung kontrolliert nicht

Die schnell zunehmende Komplexität der digitalen Transformation überfordert fast jedes Management. Die Folge ist eine Entscheidungsermüdung. Daher denke ich, dass die Zeiten einsamer Kapitäne und Alleinherrscher vorbei sind. Auf die Bühne treten ganz neue Führungsansätze, die Eigenverantwortung fördern und delegieren, statt zu tyrannisieren. Die größte Herausforderung dabei ist meiner Meinung nach, die Mitarbeiter und Teams zeitlich flexibel und dezentral zu führen, sowie die persönlichen Beziehungen multimedial und multimodal zu gestalten.

Um in den Zeiten der Digitalisierung eine kontinuierlich innovative Struktur aufzustellen, geht es nicht so sehr darum, eine Vision zu haben, der die Angestellten folgen. Es geht vielmehr darum, ein Team aufzubauen, das selbst fähig ist, großartige Ideen zu entwickeln. Dabei geht es ebenso darum, talentierte Mitarbeiter zu motivieren. Ich denke, eine der größten Triebfedern für den Erfolg ist es vor allem, eine förderliche und attraktive Arbeitsumgebung zu schaffen.

Vom Herrscher zum Befähiger

Manager bewegt Schachfiguren
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Basierend auf der klassischen Einteilung der Führungsstile nach Lewin, und zwar in autoritär, demokratisch und Laissez-faire, kamen in den 1970er Jahren die situativen Führungsstile auf. Das heißt zum Beispiel, dass Mitarbeiter mit geringer Eigenmotivation und unsichere Beschäftigte eher mit klaren Anweisungen und autoritär geführt werden sollten. Mitarbeiter mit entsprechend hoher Eigenmotivation benötigen eher einen Laissez-faire-Führungsstil. In Zeiten der Digitalisierung ist es wichtig, sich nicht auf einen Führungsstil festzulegen, sondern je nach Mitarbeiter oder Situation zu handeln.

Heute muss sich die Führung daher von traditionellen Vorbildern wie den „unangefochtenen Strong Man und Herrscher über seine Untergebenen“ verabschieden. In Zeiten der digitalen Transformation sollte sich auf die Befähigung zur Selbstführung der Mitarbeiter konzentriert werden. Natürlich kann dies nur mit einer Unternehmenskultur entwickelt werden, die Entscheidungsspielräume schafft.

Kooperation und kooperatives Verhalten

In Zeiten der Digitalisierung und der immer weiteren Vernetzung von Strukturen können insbesondere komplexe Problemstellungen in Unternehmen nur noch auf dem Weg einer engen Kooperation zwischen den Mitarbeitern bewältigt werden. Diese These wird von der Erkenntnis getragen, dass aufgrund der Kooperation zweier oder mehrerer Angestellter positive Synergieeffekte entstehen. Gerade diese Effekte erlauben es, anspruchsvolle Aufgaben kosteneffizient zu bewältigen und effektiv und innovativ anzugehen. Außerdem bindet kooperatives Verhalten die eigenen Ressourcen zum Wohle der anderen.

Mehr Selbstbestimmung und Mitgestaltung seitens der Mitarbeiter

Freelancer arbeitet von zu Hause
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Immer mehr Unternehmer, so auch ich, setzen auf unkonventionelle Methoden: mobile Arbeitsplätze, Arbeiten von zu Hause aus, unbegrenzter Urlaub, variable Arbeitszeiten und Job Sharing. Gleichzeitig wird viel Wert auf das selbstbestimmte Arbeiten und die Verantwortung seitens der Mitarbeiter gesetzt. Speziell die Generation Y wünscht sich mehr Flexibilität im Beruf, damit sich für sie das Privat- und Arbeitsleben besser miteinander vereinbaren lassen. Heute ist bei der Jobwahl eine gesunde Work-Life-Balance eine der wichtigsten Voraussetzungen. Schließlich arbeiten Mitarbeiter produktiver und motivierter, wenn sie ausgeglichener sind. Gleichzeitig wird die Kreativität gefördert. Erfolgreiche, große Unternehmen wie Netflix und Virgin Group bauen genau darauf auf.

Bei Netflix, weltweiter Marktführer im Video-Streaming-Bereich, haben die Mitarbeiter bereits seit Jahren keine festen Arbeitszeiten. Stattdessen wird sich darauf konzentriert, was die Mitarbeiter schaffen, egal wie viel Zeit sie dafür benötigen. Der Chef der Virgin Group Richard Branson gewährt seinen Angestellten sogar unbegrenzten Urlaub. Jeder Mitarbeiter kann so oft Urlaub nehmen, wie er mag, solange die Arbeit nicht liegen bleibt. Richard Branson will damit die Motivation und Zufriedenheit der Mitarbeiter fördern, um somit die gesamte Produktivität zu erhöhen.

Antiautoritäres Führungsverhalten als optimales Führungskonzept für das digitale Zeitalter?

Im Rahmen der Digitalisierung und der Werteveränderung sehen sich Unternehmen veränderten Anforderungen gegenüber. Um diese zu meistern, bedarf es meiner Meinung nach Führungskräfte, die ihr Führungsverhalten ganzheitlich überprüfen und neu ausrichten. Wer auf Fachkräfte der jungen Generation nicht verzichten möchte, der muss eingestaubte Führungsmethoden ablegen und über ganz neue Strukturen für sein Unternehmen nachdenken. Dazu gehört es natürlich, das Modell der Selbstbestimmung am Arbeitsplatz (in kreativen Unternehmen auch mit Laissez-faire-Ansatz zu integrieren und ein kooperatives Führungsverhalten zu etablieren und sei es im Zuge einer situativen Führung.

Mit chaotischen Grüßen,
Christof Layher

Literaturquellen:

Selbstbestimmt arbeiten: Wenn Mitarbeiter das Sagen haben

Der Führungsstil von Steve Jobs

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