Ich hatte in der Podcastfolge mit Julia einen dieser Momente, die einen innerlich kurz stoppen lassen.
Weil man merkt: Da ist ein Denkfehler drin, den ich selbst viel zu oft reproduziert habe.
Und wahrscheinlich du auch.
Wir reden in der Lifescience-Branche ständig über Data Governance, Data Literacy, digitale Reife, GxP-Konformität und moderne Entscheidungsmodelle.
Aber über einen Punkt sprechen wir erstaunlich selten:
Menschen entscheiden nicht rational.
Sie können es nicht.
Selbst wenn sie wollten.
Und damit zerbröselt die Grundannahme vieler Dateninitiativen.
Viele Organisationen investieren Millionen in Dashboards, KPIs, Modelle, Scorecards.
Die stille Grundannahme dahinter:
Wenn wir mehr Daten liefern, entscheiden Menschen logischer.
Julia hat das im Gespräch wunderbar auseinandergenommen:
Unser Gehirn ist gar nicht dafür gebaut, große Datenmengen rational zu verarbeiten.
Zu viele Informationen führen zu Überlastung.
Überlastung führt zu intuitiven, schnellen, „Bauchentscheidungen“.
Damit sind wir näher an Homer Simpson als an Mr. Spock.
Ein Bild, das bleibt.
Und ehrlich gesagt: Es erklärt, warum so viele Steering Committees am Ende doch nach Gefühl entscheiden – selbst wenn die Analyse 40 Seiten hatte.
Das zweite Problem:
Daten sprechen nie für sich selbst.
Nie.
Sie brauchen Kontext.
Sonst bleibt das Hirn außen vor.
Zahl: „25 Prozent Umsatzrückgang“
Reaktion: „Hm. Und jetzt?“
Aber erzähl die wahre Geschichte dazu – eine Kundensituation, ein reales Erlebnis aus dem Store, eine kurze Szene, in der man die Konsequenz spürt – und auf einmal klickt’s.
Das ist kein Marketingtrick.
Es ist Biologie.
Wir denken in Bildern.
Nicht in Dezimalstellen.
Das war für mich der härteste Punkt im Gespräch, weil er eine unbequeme Wahrheit anspricht:
Wenn Dateninitiativen scheitern, liegt es selten an Daten.
Es liegt daran, dass Data Teams noch immer denken wie Lieferanten – nicht wie Partner.
Wir liefern Zahlen, aber wir begleiten keine Entscheidungen.
Wir pushen Dashboards, aber wir verstehen nicht, wie Entscheider wirklich denken.
Wir reden über Features, obwohl die Entscheider mit völlig anderen Fragen in den Raum kommen.
Julia bringt es auf den Punkt:
Datenexperten müssen auch Entscheidungsexperten werden.
Was bedeutet das konkret?
Entscheider verstehen, bevor man Daten liefert.
Wissen, wovor sie sich fürchten und woran sie gemessen werden.
Daten so aufbereiten, dass sie im Alltag relevant sind, nicht nur im Meetingraum.
Emotionen nicht als Störfaktor behandeln, sondern als Teil des Entscheidungsprozesses.
Das ist nicht Manipulation.
Das ist professionelle Kommunikation.
Das wird oft unterschätzt:
Bevor jemand deinen Daten vertraut, muss er dir vertrauen.
Viele Data Offices arbeiten technisch hervorragend – aber sie sind kulturell isoliert.
Sie reden anders, arbeiten anders, priorisieren anders.
Sie wirken wie ein Organ, das nicht ins System integriert ist.
Ein erfolgreicher Datenbereich ist keiner, der am meisten Daten liefert,
sondern einer, der die Beziehungsebene meistert.
Vertrauen schlägt jedes Dashboard.
Einer meiner Lieblingssätze aus dem Gespräch:
„Wir verhandeln Wirklichkeit.“
Und genau so fühlt es sich in datenbasierten Projekten oft an:
Zahlen sind nur der Brennstoff.
Die Entscheidung entsteht erst in der Auseinandersetzung, im Widerspruch, in der Debatte.
Wenn wir diese Verhandlung nicht aktiv gestalten – landet das Projekt da, wo viele Projekte landen:
Im Bauchgefühl.
Und oft im falschen.
Nach dieser Folge habe ich meine Sicht auf Dateninitiativen noch einmal neu sortiert.
Wir brauchen weniger komplexe Dashboards.
Wir brauchen mehr Kontext, echte Geschichten, emotional greifbare Relevanz.
Wir brauchen Data Teams, die Entscheidungen begleiten – nicht nur Daten bereitstellen.
Und wir müssen akzeptieren, dass Menschen nicht rational entscheiden. Punkt.
Wenn wir das ernst nehmen, kann Data Literacy endlich zu Decision Literacy werden.
Und dann bringen Daten im Unternehmen plötzlich das, was sie versprechen:
Bessere Entscheidungen.
Das vollständige Gespräch mit Julia kannst du dir hier ansehen: