Wenn wir über digitale Transformation sprechen in Pharma, Biotech, MedTech, dann reden wir nicht zuerst über Technologie. Sondern über Haltung. Über Prozesse. Über Verantwortung.
Im Podcast haben wir über GxP, Datenverantwortung, digitale Risiken gesprochen – und ich erinnere mich, wie klar wurde: Viele glauben, wenn man einfach ein System einführt, dann hat man digitalisiert. Falsch gedacht.
In Lifescience gelten Rahmenbedingungen wie 21 CFR Part 11 (USA), Annex 11 (EU) – kurz GxP (Good Practice) für Herstellung, Labor, Klinische Studien.
Was bedeutet das?
• Systeme müssen valide, nachvollziehbar, revisionssicher sein.
• Datenintegrität ist zentral – wer misst, speichert, verändert was?
• In einem Umfeld, wo Patientensicherheit und regulatorischer Druck existieren, darf man nicht einfach „Agil machen“ wie eine Web-App.
Und trotzdem: Die Branche hinkt hinter anderen zurück.
Warum? Weil: Technologie ist nur ein Teil – aber Mindset, Kultur, Datenverantwortung sind der größere Teil.
Das ist eine Falle – ich hab sie schon oft gesehen: Ein altbewährter Papierprozess mit sieben Unterschriften wird genommen und dann digital exakt nachgebaut: sieben Klicks, digitales Formular, aber Prozess bleibt alt. Ergebnis? Digitaler Prozess, gleiche Ineffizienz.
Wenn es nicht darum geht, gedanklich etwas anders zu machen – z. B. Daten anders behandeln, Verantwortlichkeiten anders definieren, Menschen anders befähigen – dann bleibt „Digitalisierung“ eine Alibi-Übung.
Literatur bestätigt: Firmen im Lifescience-Bereich tun sich schwer, den Wandel zu durchlaufen von „doing digital“ zu „being digital“.
Das ist keine Technik-Herausforderung allein – das ist eine Kulturfrage.
Wenn Daten unvollständig sind, verändert wurden oder nicht nachvollziehbar sind – dann sind wir im Lifescience-Business im Risiko: regulatorisch, aber auch moralisch.
Wie oft höre ich: „Wir digitalisieren, aber wir haben kein klares Governance-Modell für Daten.“
Oder: „Wir haben Systeme, aber die Leute verstehen nicht, welchen Wert Daten haben.“
Beispiel: Eine Firma installiert ein elektronisches Batch-Record-System (E-BR), aber die Leute auf der Linie tragen weiterhin „frei Hand“ Daten ein – nicht strukturiert, nicht traceable. Zugegeben: kein Wunder, wenn vorher die Linie gewohnt war, handschriftlich zu dokumentieren.
Und hier komme ich zu meinem Lieblingsteil. Ich fordere ein: Ein digitales Mindset im Lifescience-Bereich heißt:
• Wir hinterfragen die Prozesse – nicht einfach „papier = gut“ oder „digital = besser“.
• Wir begreifen Daten nicht als lästige Last, sondern als Asset – aber mit Verantwortung.
• Wir erkennen, dass Compliance kein Hindernis ist für Digitalisierung – sondern Rahmen und Hebel.
• Wir verstehen, dass Technologie uns helfen kann – aber Menschen die Veränderung leben müssen.
Ich sag’s drastisch: Wenn du in einem Lifescience-Unternehmen einfach „Agile machen“, weil es trendy ist – ohne Rücksicht auf GxP, ohne Rücksicht auf Prozesse, ohne echte Kulturveränderung – dann machst du vermutlich nur ein neues Sahnehäubchen auf den alten Kuchen. Der Kuchen bleibt schlecht.
Damit wir nicht nur reden:
– Der regulatorische Druck wächst – nicht weniger. Digitalisierung kann helfen, Compliance effizienter zu gestalten.
– Die Wettbewerbslandschaft ändert sich: Neue Akteure, digitale Plattformen, datengetriebene Therapien brauchen schnellere, smartere Prozesse.
– Und ganz ehrlich: Wir haben die Technologie – aber oft fehlt der Mut zur echten Veränderung.
Wir haben über GxP, über Datenverantwortung, über digitale Risiken im Lifescience-Umfeld gesprochen. Es ging nicht darum, wie toll Technologie ist, sondern welche Haltung man braucht, damit Digitalisierung Sinn macht.
🎧 Hier geht’s zur Folge: https://youtu.be/LAkTWkARKVw